Timo Boll haben Sie von kleinauf bis zur Nr. 1 der Welt betreut. Welche Art von Verhältnis ist das ?
Es wird oft in den Medien gesagt, ich wäre sein Vater. Das bin ich nicht, das möchte ich auch gar nicht sein. Ich glaube, wir haben – zusammen mit Jörg Roßkopf – ein unglaubliches Vertrauensverhältnis. Trotzdem gibt es diesen Respekt Trainer – Spieler – der muß da sein. Sonst würde es vermutlich nicht so gut funktionieren.
Wenn man sich schon so lange kennt, so lange zusammenarbeitet und täglich fünf bis sechs Stunden in der Halle steht, da vertrauen die Spieler mir teilweise Sachen an, die mit dem Sport nichts zu tun haben. Da ist man Berater in Lebensfragen – das gehört auch dazu. Aber die Jungs können auch gut trennen, wenn wir beim Training und Wettkampf sind, ist es etwas anderes als wenn wir uns Abends zum Essen treffen. Das sind auch für die zwei Paar Schuh.
Der Deutsche Tischtennis Bund (DTTB) hat heute 700.000 Mitglieder. Wie sehen Sie die öffentliche Wertschätzung Ihrer Sportart ?
Man muß Tischtennis unter verschiedenen Faktoren sehen. Tischtennis hat in Deutschland schon einen großen Stellenwert, aber in Asien ist es mit die größte Sportart. In China ist Tischtennis die Nr. 1. Da sind Timo Boll und Jörg Roßkopf, Top-Stars, richtige Medien-Stars. Wenn Timo in China aus dem Flugzeug steigt und zur Passkontrolle geht, rufen die Leute schon „Herr Boll, Herr Boll“. Wenn er in China spielt, braucht er Polizeischutz. Da gibt es Menschenaufläufe, das kann man sich hier gar nicht so richtig vorstellen.
Und in Deutschland kennen ihn auch viele. Bei der Top 100 Wahl, ist er an 32. Stelle gewählt worden. Sportler, die eine größere Medienpräsenz haben, lagen weit hinter ihm. Jörg Roßkopf landete auch in den Top 100. Aber wenn man die beiden hier beim Training sieht, da gibt’s für die Kleineren, die 13-14-jährigen keinerlei Berührungsängste. Die begrüßen den Top-Spieler Boll mit „Hallo Timo“ und dann wird abgeklatscht. Das Verhältnis stimmt, wobei ich immer sehr großen Wert drauf gelegt habe, daß hier kein Star-Kult entsteht.
Wie ist der Grad der Professionalisierung im Tischtennis einzuschätzen?
Sehr hoch. Tischtennis ist sehr trainingsintensiv und eine hoch technische Sportart. Es wird sehr hart bestraft, wenn man schludert und technisch nicht sehr sauber arbeitet. Klar, es gibt auch Individualisten – auch Paradiesvögel – aber die werden nie den Sprung nach oben schaffen. Außerdem muß der Körper in unserer Sportart sehr hohen Belastungen standhalten und neben dem eigentlichen Tischtennistraining machen wir sehr viel Kraft- und Ausdauertraining. Ein Tag bei einem Spieler wie Timo Boll oder Jörg Roßkopf ist ein 8 oder 9-Stunden Tag.

Wie hoch ist das Einstiegsalter in den Leistungssport Tischtennis und wie lange dauert eine Karriere ?
Das ist individuell unterschiedlich. Timo Boll ist mit 10 Jahren eingestiegen. Und Jörg Roßkopf spielt noch mit 35. Es hängt viel vom Körper und vom Spielsystem ab. Ein Spieler, der flexibel ist, d.h. passiv und aktiv spielen kann, wird mit Sicherheit länger spielen können als einer der nur aktiv spielen kann. Bei dem wird eine Karriere nicht ganz so lang dauern.
Leistungssport, 2005